Gründonnerstag 01.04.2021 Hans-Jörg Voigt
Die Predigt :
Der Gottesdienst :
Predigt über Matthäus 26,17-30
17 Aber am ersten Tag der Ungesäuerten Brote traten die Jünger zu Jesus und sprachen: Wo willst du, dass wir dir das Passalamm zum Essen bereiten? 18 Er sprach: Geht hin in die Stadt zu einem und sprecht zu ihm: Der Meister lässt dir sagen: Meine Zeit ist nahe; ich will bei dir das Passamahl halten mit meinen Jüngern. …
26 Als sie aber aßen, nahm Jesus das Brot, dankte und brach's und gab's den Jüngern und sprach: Nehmet, esset; das ist mein Leib. 27 Und er nahm den Kelch und dankte, gab ihnen den und sprach: Trinket alle daraus; 28 das ist mein Blut des Bundes, das vergossen wird für viele zur Vergebung der Sünden. 29 Ich sage euch: Ich werde von nun an nicht mehr von diesem Gewächs des Weinstocks trinken bis an den Tag, an dem ich aufs Neue davon trinken werde mit euch in meines Vaters Reich. 30 Und als sie den Lobgesang gesungen hatten, gingen sie hinaus an den Ölberg.
Gliederung
Einleitung: Der Abendmahlssaal in Jerusalem
Schluss: Entleiblichung und Leiblichkeit in Corona-Zeit
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Einleitung: Liebe Gemeinde, in meiner Heimatstadt Dresden liegt vor der berühmten Hofkirche im Granitpflaster ein etwas größerer grauer Pflasterstein. Man muss ihn ein bisschen suchen. Man erkennt ihn daran, dass in den Stein der Großbuchstabe „N“ eingeschlagen ist. Eine Generation erzählt der anderen: „Hier soll Kaiser Napoleon am 1813 den Einsatz seiner Truppen in der Schlacht vor Dresden geleitet haben.“
Man nennt dies eine „Lokal Ätiologie“, eine Erzählung, die an einen Ort geknüpft ist. Solche Erzählungen halten sich oft über viele Jahrhunderte und man muss vorsichtig mit der Behauptung sein, dass alles nur erfunden sei.
In Jerusalem gibt es eine sehr viel ehrwürdigere Lokal Ätiologie, die an unseren Heiland Jesus Christus erinnert: In Jerusalem kann man den Abendmahlssaal sehen das sogenannte „Coenaculum“, der Ort wo das Abendmahl von Christus gestiftet worden sein soll. Es ist unter Archäologen unumstritten, dass im Jahr 1099 das Kreuzfahrerheer, das Jerusalem belagerte, hier in der Kirche „Hagia Sion“ Gottesdienste gefeiert haben soll. Der Saal wurde im frühgotischen Stil der Kreuzfahrer großzügig ausgebaut.
Hier, in diesem Obergemach war es gewesen, dass unser Erlöster das Abendmahl eingesetzt hat, so erzählt man sich in Jerusalem.
Warum ich das erzähle? Liebe Gemeinde unser Glaube braucht solche Konkretionen. Was wir predigen war nicht irgendwie und irgendwo, sondern sehr konkret – wobei am Ort selbst tatsächlich nicht allzu viel hängt. Glaube ist nicht nur geistig, sondern sehr konkret.
1. Liebe Gemeinde, was wir im Abendmahl empfangen, ist nicht nur geistig, sondern sehr konkret. Es geht hier noch viel mehr um Konkretion.
Nach der einmütigen Überlieferung der ersten drei Evangelien feiert Jesus mit seinen Jüngern das Passahfest. Dazu schickt er sie mit folgenden Worten los: „Geht hin in die Stadt zu einem und sprecht zu ihm: Der Meister lässt dir sagen: Meine Zeit ist nahe; ich will bei dir das Passamahl halten mit meinen Jüngern.“
Der Eine war auch sofort bereit, den Raum zur Verfügung zu stellen, sei es, dass das damals durchaus üblich war, Räume für die Passah-Feier zu vergeben, oder sei es, dass Jesus sein Herz dazu bewegt hat.
Während der Passahfeier, bei der in Erinnerung an den Auszug aus der Sklaverei in Ägypten ein Lamm gebraten und gemeinsam verzehrt wurde, gegen deren Ende der Feier tut Jesus etwas vollkommen Neues. Matthäus schreibt wie auch Markus und Lukas: „Als sie aber aßen, nahm Jesus das Brot, dankte und brach's und gab's den Jüngern und sprach: Nehmet, esset; das ist mein Leib. Und er nahm den Kelch und dankte, gab ihnen den und sprach: Trinket alle daraus; das ist mein Blut des Bundes, das vergossen wird für viele zur Vergebung der Sünden.“ Jesus stiftet ein Essen, das an seinen Opfertod erinnert. Viel mehr noch: er sagt vom Brot: „das ist mein Leib“ und er sagt vom Wein: „das ist mein Blut“.
Ja, es geht dabei auch um Erinnerung und Gedächtnis, aber eben viel mehr noch um Konkretion, nämlich um Vergegenwärtigung des einmal geopferten Christus in seinem Leib und seinem Blut.
Unser lutherisches Bekenntnis formuliert: „Das im Abendmahl der Herrn der Leib und Blut Christi wahrhaftig und wesentlich gegenwärtig sind und mit den sichtbaren Elementen Brot und Wein wahrhaftig gereicht werden denen, die das Sakrament empfangen.“ (FC SD VII, BSELK S. 1460). Für das Wort „wesentlich“ steht im Lateinischen Text sogar das Wort „substanziell“.
Luther hat um diesen konkreten Abendmahlsglauben gekämpft und dem Druck der Fürsten und Theologen nicht nachgegeben.
Paul Gerhard hat für diesen Glauben Haus und Einkommen in Berlin verlassen und musste in die sächsische Provinz ziehen.
Die Mütter und Väter unserer Kirche haben vor 200 Jahren für diesen Glauben gekämpft und dem preußischen König nicht nachgegeben und haben teilweise Haus und Hof für ihren lutherischen Glauben verlassen.
2. Warum ist dieser konkrete Abendmahlsglaube so wichtig? Ich will euch dazu ein Beispiel aus der Medizin machen (und ich hoffe, dass die Medizinfachleute unter uns mir dies nachsehen).
In der Medizin kennt man seit einiger Zeit den sogenannten Placebo-Effekt. Als Placeboeffekt bezeichnet man in der Medizin das Auftreten einer therapeutischen Wirkung durch die Gabe von Tabletten ohne Wirkstoff – also Placebos – oder von sogenannten Scheinbehandlungen. Die Patienten wissen dabei nicht, dass sie kein echtes Medikament einnehmen. Placebos werden auch häufig in der Forschung eingesetzt, um die Wirksamkeit eines neuen Medikaments zu testen. Solche wirkstoffreien Medikamente setzen offenbar ganz erstaunliche Selbstheilungskräfte im Menschen frei.
Kaum ein Mensch käme aber nun auf den Gedanken, nun bei allen Medikamenten auf den Wirkstoff zu verzichten. Im Jahr 2018 hat es einen Skandal gegeben, wo die Wirkstoffmenge in Krebsmedikamenten verdünnt wurde und Krebspatienten dadurch extrem gefährdet wurden. Ein Krebspatient braucht keine symbolische Medizin, sondern wirkliche Medizin.
Man hat das Abendmahl „Pharmakon Athanasias“ genannt, Medikament der Unsterblichkeit. Wir am ewigen Tod Erkrankten brauchen kein symbolisches Abendmahl, sondern eins mit Wirkstoff, mit Leib und Blut Christi.
Warum das so wichtig ist? Wenn du nämlich keine Kraft mehr hast zu glauben, dann hilft dies „Pharmakon Athanasias“ trotzdem! Wenn du verzweifelt und traurig bist, dann hilft das „Pharmakon Athanasias“ über alles Verstehen hinaus!
Nicht du musst dich anstrengen und glauben, um die Wirkung zu haben, sondern Jesus Christus hat mit seinem Opfer am Kreuz alles getan.
Der lutherische Abendmahlsglaube, den wir mit den Orthodoxen und katholischen Christen auf der ganzen Erde teilen, ist ein sehr konkreter Glaube.
Schluss: Liebe Gemeinde, diese Corona-Pandemie, die wir gerade alle durchleiden, ist eine Zeit der „Entleiblichung“, keine Berührung, kein In-den-Arm-nehmen, kein gemeinsames Essen, keine Besuche, keine große Hochzeitfeier – es ist zum Heulen! Überall nur flache Bildschirme mit kleinen Kästchen drauf. Entleiblichung erleiden wir.
Hier und jetzt im Abendmahl passiert mit dir das Gegenteil:
Du empfängst den wahren Leib und das wahre Blut Christi zur Vergebung der Sünden, zum ewigen Leben. „Pharmakon Athanasias“ uns zum Trost.
Jesus Christus sei in Ewigkeit Lob und Dank für dieses Konkretion.
Amen.