Aschermittwoch 17.02.2021 von Gottfried Heyn

Die Predigt      :
Der Gottesdienst :

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Predigt über Psalm 130, Verse 3 und 4
Wenn du, Herr, Sünden anrechnen willst – Herr, wer wird bestehen? Denn bei dir ist die Vergebung, dass man dich fürchte.

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Liebe Gemeinde,
mit dem heutigen Aschermittwoch treten wir erneut in die Fastenzeit ein, die Zeit, in der wir uns auf Karfreitag und Ostern vorbereiten. Pessimisten würden sagen: „Von jetzt an geht es bergab – mit Jesus. Mit uns. Mit der Lebensfreude.“
Gehören wir zu dieser Gruppe von Menschen? Denken wir so? Ist das unsere Einstellung? Vielleicht denkt auch der eine oder andere: „Es geht doch schon seit Monaten bergab.“ Wir schlittern von einer Lockdownverlängerung zur nächsten. Unsere Geduld wird immer erneut auf die Probe gestellt. Immer öfter höre ich in Gesprächen, dass die Menschen mürbe geworden sind von dieser scheinbar endlosen Hängepartie. Und mir selbst geht es da nicht anders. Ich habe mich irgendwie eingerichtet, aber die Sehnsucht nach der früheren Freiheit nimmt immer mehr zu!
Und unser Glaube? Zu Anfang dieser Pandemie habe ich gegenüber einem Menschen mal sehr vollmundig davon gesprochen: „Ich hätte nie geglaubt, dass unser Glaube einmal so auf die Probe gestellt werden könnte!“ Heute würde ich diesen Satz nicht mehr so großmäulig sagen. Aber der Sache nach ist ja genau das eingetreten. Wir werden mit unserem Glauben auf die Probe gestellt!
In diese Situation hinein lese und höre ich die Worte des Psalmbeters: „Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir. Herr, höre meine Stimme! Lass deine Ohren merken auf die Stimme meines Flehens! Wenn du, Herr, Sünden anrechnen willst – Herr, wer wird bestehen? Denn bei dir ist die Vergebung, dass man dich fürchte.“
Mich sprechen diese Worte an. Ich kann sie gut mitbeten. Sie sprechen mir aus der Seele. Ich will versuchen, sie ein bisschen auf unsere Situation zu übertragen:
Wir sind in ein tiefes Loch gefallen. Unser so weit ganz gut sortiertes Leben ist völlig durcheinandergeraten. Wir sind auf der Suche nach Lösungen, nach einem rettenden Strohhalm, danach, dass es wieder besser wird. Aber der Erfolg unserer Bemühungen lässt auf sich warten. Wir spüren, wie machtlos und ausgeliefert wir sind.
Gehört das auch zu den Sünden, von denen der Psalmbeter redet? Man könnte die Frage verneinen und mir widersprechen und sagen: „Nein, Sünden sind nur die Dinge, die du gesagt, gedacht, getan hast, die gegen Gottes Gebote sind.“
Ist schon richtig. Aber mit „Sünde“ wird in der heiligen Schrift auch alles das bezeichnet, was uns von Gott trennt, was uns widerfährt, weil wir nicht mehr in seiner Nähe sind, / was wir tun, weil wir so weit weg von Gott sind, / was wir überlegen, um aus eigener Kraft aus der Misere unseres Lebens herauszukommen.
Die Erkenntnis des Psalmbeters kann ich mir gut zu eigen machen: „Wenn du, Herr, Sünden anrechnen willst – Herr, wer wird bestehen?“ Die Antwort steht unausgesprochen mit im Raum: „Niemand!“
Niemand wird vor Gott bestehen! Das ist niederschmetternd. Das ist demoralisierend hoch drei! Wenn in Gottes Augen das zählen würde, was wir ohne ihn versuchen, dann hätte das mit der Rettung der Welt nicht funktioniert.
Es ist bitter, diese Einsicht und Erkenntnis zu haben: „Mein ganzes Tun ist umsonst. Mein Einsatz war vergeblich. Es hat nicht gereicht. Ich opfere mich komplett auf – und es hat keinen Zweck.“

Aber als ob das so sein müsste, als ob wir diese komplette Bankrotterklärung unseres Lebens brauchen, setzt der Psalmbeter fort: „Denn bei dir ist die Vergebung, dass man dich fürchte.“
Offensichtlich ist genau das seine Erkenntnis! Es muss so sein. Es braucht auf unserer Seite das Erkennen unserer absoluten Machtlosigkeit, damit wir endlich anfangen, auf Gott zu vertrauen. Bei ihm ist die Vergebung. Und das heißt: Bei ihm ist das, was in seinen Augen zählt und womit wir vor Gott bestehen können: allein seine Vergebung.
Das ist so unbegreiflich, dass man darüber eigentlich nur rumstottern kann. Gott lässt es sich gefallen, dass allein seine Gnade über uns armselige Menschen in seinen Augen etwas gilt und zählt. Daran haben wir schwer zu schlucken!

Liebe Gemeinde, Aschermittwoch ist nicht der Tag, an dem alles vorbei ist. Von heute an geht es auch nicht bergab. Sondern Aschermittwoch ist der Tag, an dem es losgeht. Der Weg hin zu unserer Rettung, der Weg hin zur Vergebung unserer Sünden, der Weg hin zu dem, was bei Gott zählt: seine Vergebung.
Weil wir an diesen Gott glauben, bei dem die Vergebung ist, brauchen wir keine Pessimisten zu sein, sondern können Optimisten sein: Von jetzt an geht es bergauf – hinauf nach Jerusalem, hinauf zu Gott, hinauf in den Himmel.
Gott will, dass wir das begreifen und verstehen. Deshalb gehen wir von heute an mit unserem Herrn hinauf nach Jerusalem, weil wir uns von ihm alles erhoffen.
Amen.