Quasimodogeniti_12.04.2020 von G. Heyn

Die Predigt      :

- Video zu diesem Sonntag-

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Predigt über Jesaja 40,26-31
Hebt eure Augen in die Höhe und seht! Wer hat all dies geschaffen? Er führt ihr Heer vollzählig heraus und ruft sie alle mit Namen; seine Macht und starke Kraft ist so groß, dass nicht eins von ihnen fehlt. Warum sprichst du denn, Jakob, und du, Israel, sagst: »Mein Weg ist dem Herrn verborgen, und mein Recht geht an meinem Gott vorüber«? Weißt du nicht? Hast du nicht gehört? Der Herr, der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, wird nicht müde noch matt, sein Verstand ist unausforschlich. Er gibt dem Müden Kraft und Stärke genug dem Unvermögenden. Jünglinge werden müde und matt, und Männer straucheln und fallen; aber die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht matt werden, dass sie wandeln und nicht müde werden.

Liebe Gemeinde,
eigentlich war geplant, dass wir an diesem Sonntag bei uns in der Bethlehemsgemeinde Goldene Konfirmation feiern. Ich weiß nicht, wie viele Goldkonfirmanden gekommen wären. Aber auf jeden Fall hätte es zwischen manchen ein besonderes Wiedersehen gegeben nach 50 langen Jahren und ganz unterschiedlichen Lebensläufen und -wegen. Leider ist das nun nicht möglich. Dabei wäre das Wiedersehen und Sich-Erinnern doch so schön gewesen!
Ums Sehen geht es überhaupt an diesem ersten Sonntag nach Ostern. Im Evangelium haben wir eben die eindrückliche Geschichte vom ungläubigen Thomas gehört, der den auferstandenen Herrn erst sehen musste, bevor er glaubte, dass Jesus wirklich lebt! Ums Sehen und Wiedersehen wäre es auch bei der Goldenen Konfirmation gegangen. Ums Sehen geht es auch in den Worten des Propheten Jesaja, die uns heute als Grundlage der Predigt dienen: „Hebt eure Augen in die Höhe und seht!“
Es geht um ein dreifaches Sehen. Der Prophet fordert uns auf,
1) auf die Schöpfung zu sehen,
2) auf die Kraft Gottes zu sehen und
3) auf den Herrn selbst zu sehen.

1) Unser erster Gedanke: auf die Schöpfung sehen.
Das ist wahrscheinlich von den drei Gedanken noch der einfachste. Die Schöpfung, die Natur, die Umwelt zu betrachten und über ihre Schönheit und Vollkommenheit zu staunen, das gelingt einem normalerweise, wenn man sich ein bisschen darauf einlässt. Im Fernsehen werden uns immer wieder Sendungen gezeigt, die genau das tun: Die Schöpfung ansehen und bestaunen.
Der Gedanke, dass Gott der geniale Schöpfer ist, wird zwar im Fernsehen selten ausgesprochen, aber man kann ihn sich relativ leicht hinzudenken. Als Menschen, die auf das Wort Gottes hören, ist uns dieser Gedanke auch nicht fremd.
Der Prophet Jesaja beschreibt es in seinen Worten so: „Hebt eure Augen in die Höhe und seht! Wer hat all dies geschaffen? Er führt ihr Heer vollzählig heraus und ruft sie alle mit Namen.“

Ich weiß, dass ich mich aufs Glatteis begebe, wenn ich zu sagen wage, dass auch das kleine Corona-Virus ein Geschöpf Gottes ist.
Ist das nicht abwegig? Darf ich so etwas überhaupt sagen? Wie soll das denn bitte ein Geschöpf Gottes sein?
Wenn ich die Worte bei Jesaja richtig verstehe, schließt er die ganze Schöpfung ein. Und dazu gehört alles, was auf dieser Welt existiert, auch so ein kleines Lebewesen wie ein Virus.

2) Unser zweiter Gedanke: auf die Kraft Gottes sehen. Das ist schon schwieriger. Wie kann man die Kraft Gottes sehen? Sind das die Muskeln, die er spielen lässt? Oder sein gewaltiger Arm, mit dem er seine Feinde in die Flucht schlägt?
Hier beim Propheten Jesaja wird es so erklärt: Er „ruft sie alle mit Namen; seine Macht und starke Kraft ist so groß, dass nicht eins von ihnen fehlt.“
Gottes Macht besteht darin, dass er alle seine Geschöpfe kennt und sie sogar beim Namen nennen kann. Wir Menschen müssen seit Menschengedenken die Schöpfung mühsam erforschen. Und mindestens soviel Wissen wie neu erforscht wird, geht auf der anderen Seite der Menschheit auch wieder verloren. Bei Gott geht niemand verloren. Er ruft uns, und wir kommen ins Leben – ob in dieses irdische oder ins ewige Leben.
Deshalb brauchen wir nicht ängstlich zu befürchten, dass Gott uns in dieser Krise vergessen hätte oder uns nicht hört oder hilft.
Denn er hat die Enden der Erde geschaffen. Er wird nicht müde und matt. Sein Verstand ist für uns Menschen unausforschlich.
Wir werden Gott, seine Weisheit und seine verborgenen Wege nicht erforschen und aufdecken. Aber wir dürfen uns darauf verlassen, dass er sie zu unserem Guten, zu unserem Heil einsetzt. Seine Kraft ist für uns manchmal unsichtbar, und doch ist sie wirksam.

3) Unser dritter Gedanke: auf den Herrn sehen. Das ist von den drei Seh-Aufgaben vielleicht die Schwierigste. Wie und wo können wir Gott sehen? Einerseits wissen wir, dass kein Mensch Gott sehen kann, denn dann müssten wir sterben. Andererseits werden wir aufgefordert, auf den Herrn zu sehen, auf ihn hin ausgerichtet zu sein, an ihn zu glauben, auf ihn zu vertrauen. Denn dieses Auf-Gott-Sehen hat eine wunderbare Verheißung: „Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft.“ Harren meint intensives Warten, nicht gelangweilt auf dem Sofa sitzen und auf eine neue Ablenkung warten, sondern – um im Bild zu bleiben – auf der vordersten Stuhlkante zu sitzen, voller positiver Anspannung auf Gott und sein Eingreifen zu warten, das heißt Harren.
Wer so auf unseren Herrn sieht, zu ihm hinsieht, auf ihn wartet, der wird erleben, dass Gott ihn ruft und anspricht. Wer so auf Gott wartet, der bekommt neue Kraft in den Herausforderungen des Lebens – seien sie ganz klein, mittel oder ganz groß.

Liebe Gemeinde, heute geht es ums Sehen. Jesus macht keine Augenarztberatung, sondern er ermuntert uns, auf ihn, den Auferstandenen zu sehen und an ihn zu glauben. Die Frauen am leeren Grab und die Jünger wurden mit ungläubiger, staunender Freude erfüllt, weil sie Jesus – Achtung: nicht – gesehen haben, weil das Grab ja leer war. Und Thomas wurde mit derselben Freude erfüllt, als er den Herrn gesehen hatte und bekennen konnte: „Mein Herr und mein Gott“. Mit dieser Freude will Gott auch unser Herz erfüllen, wenn wir ihn sehen.

Das ist wohl noch ein Ereignis in der Zukunft. Aber wir gehen bereits jetzt darauf zu. Unser auferstandener und lebendiger Herr kommt uns entgegen und wir werden ihn sehen.
Amen.