Invokavit 18.02.2018 von G. Heyn

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Predigt über 2.Kor 6,1-10
Als Mitarbeiter Gottes ermahnen wir euch, dass ihr die Gnade Gottes nicht vergeblich empfangt. Denn er spricht (Jesaja 49,8): »Ich habe dich zur Zeit der Gnade erhört und habe dir am Tage des Heils geholfen.«
Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade, siehe, jetzt ist der Tag des Heils! Und wir geben in nichts irgendeinen Anstoß, damit unser Amt nicht verlästert werde; sondern in allem erweisen wir uns als die Diener Gottes: in großer Geduld, in Trübsalen, in Nöten, in Ängsten, in Schlägen, in Gefängnissen, in Verfolgungen, in Mühen, im Wachen, im Fasten, in Lauterkeit, in Erkenntnis, in Langmut, in Freundlichkeit, im heiligen Geist, in ungefärbter Liebe, in dem Wort der Wahrheit, in der Kraft Gottes, mit den Waffen der Gerechtigkeit zur Rechten und zur Linken, in Ehre und Schande; in bösen Gerüchten und guten Gerüchten, als Verführer und doch wahrhaftig; als die Unbekannten und doch bekannt; als die Sterbenden und siehe, wir leben; als die Gezüchtigten und doch nicht getötet; als die Traurigen, aber allezeit fröhlich; als die Armen, aber die doch viele reich machen; als die nichts haben, und doch alles haben.

Liebe Gemeinde,
was ist das für ein wunderschöner, poetischer Predigttext, den uns der Apostel Paulus hier aufgeschrieben hat!
Das Stichwort „Fasten“ stellt die Verbindung zum heutigen Sonntag Invokavit her, dem ersten Sonntag in der Fastenzeit: „in allem erweisen wir uns als Diener Gottes:“ und dann wird u.a. aufgezählt: „… im Fasten, …“.
Es ist noch gar nicht lange her, vor zwei Wochen war es, am Sonntag Sexagesimae, da kam auch so eine Aufzählung des Apostels Paulus im Predigttext vor, und auch das Stichwort „Fasten“.
In der Fastenzeit scheint es besonders nahezuliegen, darüber nachzudenken, was es bedeutet, in der Nachfolge Jesu zu leben, quasi mit ihm auf dem Weg zu sein: „Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem …“

Lasst uns in drei kurzen Gedankengängen uns auf die Worte des Apostels Paulus einlassen:
1) Die Frage nach der Zeit
2) Die Frage nach der Anstößigkeit
3) Die Frage nach dem Diener-Gottes-Sein

1) Die Frage nach der Zeit. Dass es bei Gott und bei uns manchmal unterschiedliche Vorstellungen von „Zeit“ gibt, das wissen wir ja schon – nicht nur aus der heiligen Schrift, sondern auch aus unserer Erfahrung.
Der Apostel Paulus führt uns hier vor, wie unterschiedlich diese Zeitvorstellungen und das Zeitverständnis sein können: Er zitiert einen Satz aus Jesaja 49 und wendet ihn auf die Gegenwart an. „»Ich habe dich zur Zeit der Gnade erhört und habe dir am Tage des Heils geholfen.«
Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade, siehe, jetzt ist der Tag des Heils!“
Es ist ihm überhaupt kein Widerspruch, sondern er erkennt gerade den direkten Zusammenhang zwischen der alttestamentlichen, prophetisch ausgesagten Verheißung und der Jetzt-Zeit. Und damit meint er nicht nur seine damalige Gegenwart, irgendwann in den 50-er und 60-er Jahren des ersten Jahrhunderts, als er an die Korinther geschrieben hat, sondern er meint jede Zeit nach Karfreitag und Ostern, jede Zeit „nach“ Jesus – wenn ich das mal so sagen darf.

Der Apostel Paulus schreibt hier ein theologisches Lehrstück der Auslegung des Wortes Gottes. Die Zeit „nach“ Jesus Christus, gemeint ist nach seiner Erdenwirksamkeit, genauer nach seinem Tod am Kreuz und nach seiner Auferstehung, ist Heilszeit, Gnadenzeit.
Wir leben in dieser Zeit der Gnade, in der wir durch den Glauben an den lebendigen Gott gerettet werden.

2) Die Frage nach der Anstößigkeit. Es klingt rätselhaft und bleibt etwas undeutlich, was Paulus meint: „Wir geben in nichts irgendeinen Anstoß, damit unser Amt nicht verlästert werde.“
Tadellos leben! Unanstößig sein! Die hohen Erwartungen erfüllen, die in einen gesetzt werden! Das sind sehr positiv besetzte Werte.
Es ist aber auch ein wahnsinnig hoher Anspruch!
Werden wir dem überhaupt gerecht?
Natürlich könnten wir von uns wegweisen und den Apostel Paulus vorschieben und könnten sagen, er redet von sich selbst, von sich persönlich. Aber das funktioniert nicht. Er redet zugleich von uns allen. Er redet von seinem speziellen, konkreten Apostelamt und zugleich von dem Amt, das wir alle in dieser Welt haben.
Und geht damit eine eigenartige Gratwanderung. Er formuliert den hohen Anspruch, den andere an uns haben: er als Apostel und Vorkämpfer, unsere Mitmenschen, die manchmal genaue Vorstellungen davon haben, wie man als Christ zu sein hat, ja, und wahrscheinlich Gott selbst, der diesen hohen Anspruch an uns hat.
Und was, wenn wir diesem hohen Anspruch nicht gerecht werden?
Vielleicht gehört genau das zum Christsein, dass wir in gewisser Weise in einer gebrochenen Existenz leben.
Wir sollen und wollen niemand irgendeinen Anstoß geben, und doch tun wir es – einerseits weil wir immer wieder an dem hohen Anspruch scheitern, und andererseits weil wir überhaupt diesem hohen Anspruch nacheifern. Ich glaube, das erregt Ärgernis und ist für viele ein Anstoß, dass wir unserem Herrn und Heiland nachfolgen.

3) Die Frage nach dem Diener-Gottes-Sein. Der Apostel Paulus zählt hier einen Katalog auf, der Maßstäbe setzt. Dieser Katalog zeigt die Vielfältigkeit des Lebens in der Nachfolge Christi auf. Bei Gott gibt es eben nicht das Sonntags-zehn-Uhr-Gottesdienst-Christsein und ab 11.35 Uhr wieder den normalen Menschen, sondern wer zu Christus gehört, der gehört ganz zu ihm: 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche, 365 Tage im Jahr.
Wir erweisen uns als die Diener Gottes, d.h. doch man sieht es uns an, man spürt es uns ab. Die anderen merken irgendwie einfach, dass wir Diener Gottes sind. Wir müssen dazu gar nicht soviel aus eigener Kraft tun. Sondern der Heilige Geist wirkt durch uns.
Das ist doch wunderbar!
Und darauf können wir uns in jeder – wirklich in jeder – Lebenssituation verlassen!
Natürlich – und das ist dem Apostel Paulus auch ganz klar gewesen – und er hat sich darüber keine Illusionen gemacht: Ein Diener Gottes sein zu wollen, allein das ist schon anstößig in dieser Welt – und wenn man noch so vorbildlich lebt!
Und deshalb zählt er dann diesen Katalog auf.

Liebe Gemeinde, was ist das für ein wunderschöner, poetischer Predigttext, den uns der Apostel Paulus hier aufgeschrieben hat!
Er ist nicht nur deshalb schön, weil er uns in die Fastenzeit geleitet, sondern weil er uns schon auf die Verheißung des Ostertages und der Ewigkeit hinweist: Wir erweisen „uns als die Diener Gottes: … als die Sterbenden und siehe, wir leben; als die Gezüchtigten und doch nicht getötet; als die Traurigen, aber allezeit fröhlich!“
Amen.