Trinitatis 15.6.2014, von P. Heyn
(Die Predigt zum Mithören nach Manuskript:
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(Der komplette Gottesdienst zum Hören:
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Predigt über 2Kor 13,11.13
Freut euch, lasst euch zurechtbringen, lasst euch mahnen, habt einerlei Sinn, haltet Frieden! So wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein. Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!
Liebe Gemeinde,
wahrscheinlich erwartet ihr heute am Tag der heiligen Dreifaltigkeit eine Predigt mit drei Gliederungspunkten. Das würde ja auch naheliegen – vom Tag her und von unserem Predigttext – drei Personen des einen Gottes – drei Predigtteile. Aber ich muss euch leider enttäuschen. Unsere Predigt hat heute nur zwei Punkte. Im ersten geht es um die Gaben des dreieinigen Gottes, wie sie uns der Apostel Paulus aufgeschrieben hat. Im zweiten Teil geht es um eine ganz eigenartige und zugleich wunderbare Verbindung zwischen uns und Gott.
1) Nehmen wir zunächst den zweiten Satz des Predigttextes in Augenschein. Da schreibt der Apostel Paulus: „Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!“ Das ist eine ganz alte christliche Grußformel, die der Apostel hier am Ende des 2. Briefes an seine Gemeinde in Korinth verwendet. Sie hat sich bis heute erhalten. Manche Pastoren verwenden sie am Beginn ihrer Predigt. Sie ist vergleichbar mit der anderen, die wir kennen: „Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus.“ Diese Grußformeln stammen in ihrem Aufbau natürlich aus der Antike und sind von den Aposteln aus ihrer Umwelt übernommen worden. Aber die Apostel und die ersten Christen haben diese Grußformeln mit christlichem Inhalt gefüllt. Sie haben damit zugleich einen Bekenntnisakt vollzogen. Wer einen solchen Gruß aussprach, der bekannte sich zu Jesus Christus, zu dem dreieinigen Gott. Damit wird auch die Qualität des Grußes unterstrichen. Man sagt nicht einfach: „Hi, wie geht’s?“ oder „Moin“ oder eben bürgerlich „Ich wünsche ihnen einen schönen guten Tag“, sondern: „Ich wünsche dir/euch das Beste, was mir selbst jemals begegnet ist: die Gaben des dreieinigen Gottes. Und diese Gaben werden auch benannt. Vorige Woche, zu Pfingsten, da haben wir auch über die Gaben des Geistes gesprochen, da war die Rede davon, wie diese Geistesgaben sichtbar werden. Das setzt sich heute fort. Der Gruß wünscht und überbringt den Angeredeten Gnade, Liebe und Gemeinschaft. Vielleicht erscheint uns das im ersten Moment ein bisschen sehr abstrakt! So wie ja die ganze Frage nach der Trinität, der Dreieinigkeit Gottes abstrakt ist. Und was haben diese Gaben ausgerechnet mit Gott zu tun? Gnade – na ja, das ist etwas Seltenes geworden in unserer Gesellschaft. Und doch sind wir so und sooft auf die Gnade von irgendwem angewiesen. Liebe – nun ja, das ist ein ganz eigenes Thema für sich. Und Gemeinschaft? Haben wir doch super beim public viewing bei der Fußballweltmeisterschaft mit Würstchen und Bier! Also, warum kommt das nun extra in der Kirche vor? Der Apostel Paulus weist uns darauf hin, dass alles, was in unserem Leben vorkommt an Gnade, Liebe und Gemeinschaft letztlich von Gott herkommt und in Gott seinen Ursprung hat. Mag sein, dass wir Gnade, Liebe und Gemeinschaft in ganz menschlicher Umgebung erleben. Dass es so etwas gibt, dass geht von Gott aus! Bei dem Gruß des Apostels kommt aber nun noch hinzu, dass wir als die so Gegrüßten in eine besondere Gnade hineingenommen werden, dass wir mit einer besonderen Liebe umschlossen werden und dass wir eine besondere Gemeinschaft erfahren dürfen. Der dreieinige Gott selbst wendet sich nämlich uns Menschen zu. Und die Atmosphäre die durch die Zuwendung Gottes unter uns geschaffen wird, die spüren wir. Die merken auch Menschen, die mit Gott scheinbar erstmal nichts zu tun haben. Die Gegenwart Gottes, die uns durch den Gruß des Apostels bewusst gemacht wird, die quasi durch diesen Gruß eröffnet wird, die schafft eine neue Wirklichkeit von besonderer Qualität. Die Theologen versuchen wir ja, das Geheimnis der Trinität zu erklären, zu beschreiben, zu verstehen. Und uns selbst fällt es ganz oft schwer, das zu erklären, grad, wenn uns jemand daraufhin anspricht und auch kritisch danach fragt: Wie ist denn das mit der Trinität? Der Apostel Paulus gibt uns eine verblüffend einfache Antwort: „Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!“ Gott, der Vater, liebt uns so sehr, dass er seinen Sohn in die Welt gesandt hat. Gott, der Sohn, ist uns so gnädig, dass er uns alle unsere Sünde und Schuld einfach erlässt, durchstreicht, wegnimmt. Gott, der Heilige Geist, schafft zwischen Gott und uns und unter uns eine Gemeinschaft, die unter „normalen“ Menschen sonst nie zustandekommen würde. Wir brauchen das Geheimnis der Dreieinigkeit nicht zu erklären. Es genügt, wenn wir ihre Wirkungen, ihre Gaben beschreiben, die wir erleben und empfangen.
2) Dazu gehört auch das, was ich im zweiten Teil unserer Predigt sagen will: Es geht um eine ganz eigenartige und zugleich wunderbare Verbindung zwischen uns und Gott. Die Wirklichkeit, in die uns der Apostel mit seinem Gruß ruft, schafft vor allem eine Verbindung zu Gott. Das Eigenartige und zugleich Wunderbare daran ist, dass Paulus uns zunächst auffordert: „Freut euch, lasst euch zurechtbringen, lasst euch mahnen, habt einerlei Sinn, haltet Frieden!“ Fünf Aufforderungen schreibt er uns ins Stammbuch, die man durchaus kritisch betrachten kann. Weil Paulus es gebietet und erwartet, deshalb sollten die Korinther so handeln. Offenbar ging es bei ihnen sonst anders zu: freudlos, irgendwie aus der Bahn geraten, beratungsresistent, streitsüchtig, friedlos. Einzelheiten aus der Gemeinde in Korinth kenne ich nicht. Aber alles, was wir aus den Apostelbriefen entnehmen können, deutet darauf hin, dass die Korinther nicht gerade eine Vorzeigegemeinde waren. Ich frage mich, gibt es die überhaupt? Gibt es eine Gemeinde, in der alles in Butter ist? Gibt es eine Gemeinde, die hundertprozentig nach Gottes Willen und Geboten lebt? Und auch alles einhält und erfüllt? Ja, es gibt eine. Das ist die Gemeinde der vollendeten Gerechten, die schon bei Gott im Himmel existiert. Aber auf unserer Erde gibt es nur solche Gemeinden wie die in Korinth. Und doch sind wir alle Kirche Jesu Christi, gehören wir zu seinem Leib, sind wir Gottes geliebte Kinder. Warum ist das so? Weil der Satz des Apostels Paulus noch weitergeht: „Freut euch, lasst euch zurechtbringen, lasst euch mahnen, habt einerlei Sinn, haltet Frieden! So wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein.“ Was hier als Bedingung für die Gegenwart Gottes erscheint, ist in Wirklichkeit viel mehr. Es kommt zu einer wunderbaren Wechselbeziehung: Weil Gott in unsere Nähe gekommen ist, sich zu uns gewendet hat, weil wir ihm nicht egal sind, deshalb kommen wir in die Lage und bekommen die Fähigkeit, fröhlich zu sein, uns liebevoll ermahnen zu lassen, eines Sinnes zu sein, Frieden zu halten. Wo das unter Menschen geschieht, da wirkt der Heilige Geist. Da ist der dreieinige Gott erfahrbar, der von sich selbst sagt, dass er die Liebe und der Frieden ist. Und das erleben wir dann auch selbst und die Menschen in unserer Umwelt. Wir und sie spüren etwas von der Nähe Gottes, von der neuen Wirklichkeit, von der Liebe und dem Frieden, die von Gott ausgehen. Der Apostel Paulus macht uns heute deutlich, dass wir eine enorme Mitverantwortung dafür haben, dass Gottes Gegenwart und Nähe spürbar und erlebbar wird. Gott ist nicht von unserem Tun abhängig. Er könnte sich gegen alle Widerstände und bösen Mächte spielend durchsetzen. Davon bin ich felsenfest überzeugt. Das wäre ein Klacks für ihn. Aber er macht sich selbst klein. Er begibt sich auf unsere Ebene. Er sagt uns, dass wir für ihn wichtig und wertvoll sind. Und dass wir daran mitwirken sollen, dass seine Liebe und sein Frieden auf die Erde und zu allen Menschen kommen. Liebe Gemeinde, das Geheimnis der Dreieinigkeit werden wir nicht entschlüsseln. Dafür reicht unser Verstand nicht aus. Aber wir können an den Spuren Gottes in unserem Leben – persönlich, in der Gemeinde, in unserer Umwelt wahrnehmen, dass Gott handelt – wunderbar und geheimnisvoll. Er hat sich uns vorgestellt als Vater, Sohn und Heiliger Geist. Und das kann man im Glauben erkennen und erleben. Deshalb beten wir unseren Gott an. Amen.