Predigt

Palmarum, gehalten am 24. März 2013, von Bischof Voigt

 

Predigt für Sonntag Palmarum, 24. März 2013 Reihe V: Johannes 17, 1-8 1
So redete Jesus und hob seine Augen auf zum Himmel und sprach: Vater, die Stunde ist da: verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrliche; 2 denn du hast ihm Macht gegeben über alle Menschen, damit er das ewige Leben gebe allen, die du ihm gegeben hast. 3 Das ist aber das ewige Leben, dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesus Christus, erkennen. 4 Ich habe dich verherrlicht auf Erden und das Werk vollendet, das du mir gegeben hast, damit ich es tue. 5 Und nun, Vater, verherrliche du mich bei dir mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war. 6 Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast. Sie waren dein und du hast sie mir gegeben, und sie haben dein Wort bewahrt. 7 Nun wissen sie, dass alles, was du mir gegeben hast, von dir kommt. 8 Denn die Worte, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, und sie haben sie angenommen und wahrhaftig erkannt, dass ich von dir ausgegangen bin, und sie glauben, dass du mich gesandt hast.

Leitgedanke: Die Verherrlichung – Doxa Christi geschieht durch Erniedrigung.

Disposition
Einleitung: Besuch in der Hagia Sophia
1. Christus kommt aus der göttlichen Doxa
2. Seine Verherrlichung geschieht durch Erniedrigung
3. Auch wir werden durch Christus durch das Leiden hindurch verherrlicht - 1 - Einleitung:

HagaLiebe Gemeinde, es ist Stephan Zweig, der in seinen „Sternstunden der Menschheit“ diese Geschichte in atemberaubender Dichte beschreibt: Konstantinopel am 29. Mai des Jahres 1453, in diesem Jahr vor 560 Jahren. Seit zwei Monaten belagert Sultan Mehmed II. die Stadt Konstaninopel, das alte Byzanz. Zweig erzählt die Geschichte, die bis heute auch vor Ort erzählt wird, dass eine kleine Unachtsamkeit zum Fall der oströmischen Hauptstadt führte: Man vergaß am Vorabend des 29. Mai 1453 eine winzige Türe in der Mauer zu schließen, die sogenannte Kerkaporta. Durch diese kleine Nebentür drangen die Soldaten in die Stadt und öffneten das Stadttor von innen. Die größte Kirche der Christenheit fiel und das goldene Kuppelkreuz stürzte in das Blut der Stadtbewohner, das knöcheltief durch die Straßen floss. Der Westen hatte zur Verteidigung von Venedig aus eine Galeere geschickt, ein jämmerlicher Verrat, an dem die Christenheit des Ostens bis heute leidet. Bei meinem Kurzbesuch in Istanbul in diesem Jahr zeigten mir unsere Brüder von der Istanbul Lutherischen Kirche die Hagia Sophia. An diesem Ort der Weltgeschichte der in unfassbarer Pracht ein Stück Himmel auf Erden zu holen versucht, stand ich vor dem berühmten Christusbild: „Christus Pantokrator“, der Weltenherrscher. Zur Hälfte ist das Bild zerstört aber das Wort Gottes in seiner Hand als Herrschaftssymbol ist noch zu erkennen. Das Ganze auf glänzendem goldenen Untergrund. Die Verherrlichung Christi – dies ist der Leitgedanke unseres Predigtwortes aus dem Johannesevangelium.

1. Christus kommt aus der göttlichen Doxa, aus göttlichem Glanz und Herrlichkeit. „Und nun, Vater, verherrliche du mich bei dir mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war.“, so lesen wir. Immer wieder taucht dieser Begriff der „Doxa“, des Glanzes hier auf. Christus kam aus der göttlichen „Doxa“-Herrlichkeit in diese Zeit und Welt. Diese göttliche Wirklichkeit übersteigt unsere Vorstellungskraft weit. Der wärmende Glanz der Sonne, nach dem wir uns in diesen Tagen so sehr sehnen – ist ein Lämpchen dagegen. - Strahlender Friede, - Geborgenheit, - Ruhe ohne allen Streit und Einssein mit Gott, das ist die Herrlichkeit, aus der Jesus kam. Wir können kaum erahnen, was es für ihn bedeutet hat, diese Herrlichkeit zu verlassen. Er hatte solchen Glanz „ehe die Welt war.“ All dies legt er ab und wird ein Mensch. Er liegt in der Krippe aus Stein oder Brettern und allen Glanz haben nur die Maler nachträglich dazu gemalt. Später sagen alle: „Ach das ist ja Josefs Ältester – man der ist gewachsen!“ Der Apostel Paulus beschreibt das so: „Er entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an.“ Keinerlei äußerer Glanz mehr.

2. Christi Verherrlichung geschieht durch Erniedrigung. Ich bin in einem Land aufgewachsen, in dem ständig irgendwelche Leute verherrlicht wurden. Als ich ein Kind war, verherrlichten sie einen Gemüsehändler aus Leipzig mit einer grauenhaften Aussprache. Sein Bild war allgegenwärtig als Briefmarke und in jedem Büro. Danach als ich zur Schule ging, verherrlichten sie einen Dachdecker aus dem Saarland. Sein Bild hing überall in jedem Schulzimmer, das ich besuchte. Und keiner wagte, ihm einen Kaugummi an die Nase zu kleben. Er starb verarmt im chilenischen Exil. Menschen wollen nur zu gern verherrlicht werden und wenn wir ehrlich sind, steckt davon auch etwas in uns. Christus betet hier: „Vater, die Stunde ist da: verherrliche deinen Sohn, damit der Sohn dich verherrliche;“ Ist er etwa auch einer von denen? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir auf den Zusammenhang sehen. Gerade hatte sich dieser Jesus Christus einen Schurz umgebunden und seinen Jüngern die staubigen schweißigen Füße gewaschen. Und er wird von diesem Gebet aufstehen und in den Garten Gethsemane gehen, um sich fesseln und abführen zu lassen. Das ist der Weg seiner Verherrlichung: tiefste Erniedrigung! „Vater, die Stunde ist da“, betet er. Es ist die Stunde, in der das Leid beginnt. - Die stundenlangen Verhöre, auf die Jesus zugeht, gespickt mit Lüge und Machtkalkül – das ist sein Weg der Verherrlichung. - Die Schläge und der Speichel der Soldadeska der ihm vom Gesicht läuft – das ist sein Weg der Verherrlichung, die Krone aus Dornen! - Verherrlichung, Doxa, meint hier die Hände des Allmächtigen, die von rostigen Nägeln ans Holz geschlagen werden. - Verherrlichung meint hier die Sonne, die ihren Schein verliert. Und danach folgt dann der herrliche Ostermorgen, an dem ewiger Glanz und vollkommen neues Leben aus dem finsteren Grab hervorbrechen.

3. Auch wir werden durch Christus durch das Leiden hindurch verherrlicht. Christus spricht: „Ich habe deinen Namen den Menschen offenbart, die du mir aus der Welt gegeben hast. Sie waren dein und du hast sie mir gegeben, und sie haben dein Wort bewahrt.“ Das ist ein bisschen kompliziert: der Name Gottes war dem Volk Israel besonders heilig. Vor Ehrfurcht und Angst, den Namen Gottes zu missbrauchen, haben die frommen Juden den Namen Gottes, Jahwe, überhaupt nicht mehr ausgesprochen. Erst Jesus Christus hat diese Verbindung zu Gott wieder hergestellt und wir nennen Gott „Vater unser im Himmel“! Auf dem Christusbild in der Hagia Sophia hält Christus das Wort Gottes in der Hand. ER ist das Wort Gottes, heißt es am Anfang des Johannesevangeliums. Durch ihn, durch sein Wort, werden auch wir verherrlicht, gelangen auch wir in diesen ewigen Glanz, in diese unendliche Schönheit.

Schluss: Die größte und prachtvollste Kirche der Christenheit, die Hagia Sophia, ist keine Kirche mehr, sondern ein Museum. Das goldene Christusbild ist zur Hälfte abgehackt und zerstört. Kirche ist hier in dieser Zeit immer in einer Elendsgestalt. Aber das ist kein Manko, sondern dort, wo Kirche arm ist, ist sie bei den Armen und wo sie elend ist, da ist sie bei den Elenden. Auch unser Leben ist ja noch nicht vollkommen verherrlicht. Manches ist da „abgehackt“, manches ist da sehr kümmerlich und sehr „unherrlich“. Unsere Verherrlichung folgt den Spuren Jesu, durch Niedrigkeit zur Herrlichkeit. Denn die Verherrlichung, der ewige Glanz ist uns gewiss durch das Leiden Christi. Amen.