Predigt
Ostersonntag, gehalten am 31. März 2013, von Bischof Voigt
(Die Predigt zum Mithören nach Manuskript: )
Predigt für den Ostersonntag, 31. März 2013 Reihe V: Johannes (19, 41-42) 20, 1-18 41
Es war aber an der Stätte, wo er gekreuzigt wurde, ein Garten und im Garten ein neues Grab, in das noch nie jemand gelegt worden war. 42 Dahin legten sie Jesus wegen des Rüsttags der Juden, weil das Grab nahe war. 11 Maria aber stand draußen vor dem Grab und weinte. Als sie nun weinte, schaute sie in das Grab 12 und sieht zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, einen zu Häupten und den andern zu den Füßen, wo sie den Leichnam Jesu hingelegt hatten. 13 Und die sprachen zu ihr: Frau, was weinst du? Sie spricht zu ihnen: Sie haben meinen Herrn weggenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben. 14 Und als sie das sagte, wandte sie sich um und sieht Jesus stehen und weiß nicht, dass es Jesus ist. 15 Spricht Jesus zu ihr: Frau, was weinst du? Wen suchst du? Sie meint, es sei der Gärtner, und spricht zu ihm: Herr, hast du ihn weggetragen, so sage mir, wo du ihn hingelegt hast; dann will ich ihn holen. 16 Spricht Jesus zu ihr: Maria! Da wandte sie sich um und spricht zu ihm auf Hebräisch: Rabbuni!, das heißt: Meister! 17 Spricht Jesus zu ihr: Rühre mich nicht an! Denn ich bin noch nicht aufgefahren zum Vater. Geh aber hin zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott. 18 Maria von Magdala geht und verkündigt den Jüngern: Ich habe den Herrn gesehen, und das hat er zu mir gesagt.
Leitgedanke:
Gartengeschichten erste Gartengeschichte: auf dem Friedhof (freudig) zweite Gartengeschichte: Maria von Magdala im Garten (traurig) dritte Gartengeschichte: Christus der Gärtner (freudig) vierte Geschichte: auf dem Friedhofsgarten (noch freudiger)
Liebe Osterfestgemeinde! Um vier Gartengeschichten geht es in dieser Osterpredigt.
Erste Gartengeschichte: Friedhöfe sind eigentlich ganz besonders gepflegt Gärten. Neulich hörte ich diese ganz besondere Friedhofsgeschichte, die sich wirklich zugetragen hat, eine Ostergeschichte. Es war auf dem Friedhof in Hermannsburg, jenem frommen Heide- und Missionsdorf 70 Kilometer nördlich von Hannover. Es mag ein sonniger, warmer Tag im Mai gewesen sein. Ein Pfarrer unserer Kirche, der Typ „Vollblutpfarrer“ und tierlieb! war zur Beerdigung rechtzeitig gekommen und tut was ein Pfarrer eigentlich vor jeder Beerdigung tun sollte: er geht noch einmal an die Grabstelle, um sich davon zu überzeugen, dass alles gut vorbereitet ist. Da steht er am offenen Grab in das die Sonne nur halb vorzudringen vermag. Die Vögel kümmern sich mit ihrem Gesang nicht um den traurigen Anlass. Ansonsten ist alles still. Da steht er, der Pfarrer im Talar am Rande des Grabes und sieht unten in der Grube eine kleine Eidechse, wie sie hin und her läuft und nicht davon kommen kann. Ihm, dem Tierfreund, der heute noch Schafe im Garten stehen hat, wird klar: Keine Chance! No way! Die Eidechse wird lebendig begraben! Kurz entschlossen springt er in das Grab - vorgeschriebenen Grabtiefe 1,70 Meter. Er greift behutsam nach dem Tier und hebt es über die Kante. Das Tier ist gerettet. – Er selbst steckt fest. Nur mit großer Mühe und Aufbietung aller Kräfte gelingt es ihm kleine Stufen in die Ränder zu graben und nach oben zu kommen. Die Schuhe kann man noch schnell unter den Wasserhahn halten. Den Talar nicht. … Eine Ostergeschichte: jemand setzt seine ganze Person ein, damit ein unscheinbares Leben gerettet wird. Das ist Ostern. Eine Lebensgeschichte, eine Gartengeschichte!
Zweite Gartengeschichte: Maria von Magdala geht ganz anders durch jenen Garten, in dem das Grab Jesus sich befindet. Johannes berichtet uns ja, dass es ein nahegelegener Garten war, in dem Jesu Grab sich befand. Sie steht vor dem Grab und weint einsam und allein in den Morgen. Sie hört keine Vögel und sieht nichts von der Schönheit des Frühlings, nichts von der Schönheit dieses Gartens. Johannes berichtet: „Maria aber stand draußen vor dem Grab und weinte.“ In ihrem Herzen ist der Tod. Ihr Inneres ist ein finsteres dunkles Loch, denn sie hat Jesus verloren, den sie verehrte, der ihr alles bedeutete, ihren Rabbi. So nannte man die Lehrer. Wer Tränen in den Augen hat, kann nicht sehen, was sich um ihn herum tut. Vielleicht ist Maria darin auch ein Sinnbild für unsere Tage. Unsere äußerlich sichere und gut versorgte Existenz erschwert es uns Bindungen einzugehen und Bindungen zu erhalten. Einsamkeit ist ein Schlüsselproblem unserer Tage. Vielleicht nicht so sehr in unserer Kirchgemeinde, in der wir alle so gut miteinander vernetzt sind und in Verbindung stehen. Aber ein Blick vor diese Kirchentür genügt um die Einsamkeit zu sehen. Und Maria steht auch für die Traurigkeit, die zu einer Volkskrankheit geworden ist in unseren Tagen, vor der niemand wirklich sicher ist. Der Blick für das Leben, für die Freude, für den Garten, ist ihr verstellt. Liebe Gemeinde, Mitten in den toten Betonwüsten der Megastädte unserer Tage hat sich in den letzten Jahren eine hochinteressante Bewegung etabliert, die man „urban gardening“, „Großstadtgärtnern“ nennt. Meist junge Leute entdecken zwischen Mauern der Städte den Gartenbau: Gurken auf dem Dach, Kartoffeln auf dem Balkon, Tomaten auf dem kleinen unbebauten Dreieck vorm Haus. Eine Unterform davon ist „Guerilla Gardening“. Man könnte das mit „Protestgärtnern“ übersetzen. Auf dem öden Rasen vorm Haus werden heimlich Sommerblumen ausgesät. Im Schlagloch findet sich eine Hand voll Erde und eine Margeritenpflanze. In trauriger und toter Urbanität erwacht das Leben - eine schöne Art von Gartenprotest: Leben gegen den Tod!
Dritte Gartengeschichte: Maria von Magdala begegnet auch das Leben im Garten, zunächst in Gestalt der beiden Engel, die im Dunkel der steinernen Grabeshöhle sitzen. „Als sie nun weinte, schaute sie in das Grab 12 und sieht zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, einen zu Häupten und den andern zu den Füßen, wo sie den Leichnam Jesu hingelegt hatten. Und die sprachen zu ihr: Frau, was weinst du?“ Eine Anrede ist so wichtig! Jetzt kann Maria sprechen. Sie antwortet auf diese Frage und fragt nach ihrem Jesus. Dann ist es wohl so, dass sie hinter sich einen Menschen spürt sich umdreht. Johannes berichtet: „Sie wandte sich um und sieht Jesus stehen und weiß nicht, dass es Jesus ist. 15 Spricht Jesus zu ihr: Frau, was weinst du? Wen suchst du? Sie meint, es sei der Gärtner, und spricht zu ihm: Herr, hast du ihn weggetragen, so sage mir, wo du ihn hingelegt hast; dann will ich ihn holen.“ Von dieser wundervollen Geschichte hat sich in der Barockzeit eine bestimmte Bildgattung entwickelt, die Jesus als Gärtner zeigt, mit der Harke oder einem Spaten in der Hand. Hinter dieser Bildgestalt steht ein tiefer Sinn. In einem vollkommen und paradiesischen Garten hat alles angefangen, als die Menschen misstrauisch und ungehorsam gegen Gott wurden, als die Schuld und mit ihr der Tod ihren Anfang nahmen. Schuld trennt bis heute Menschen voneinander. Man läuft auseinander, man schweigt, man bricht die Kommunikation ab nicht nur zwischen Menschen, sondern auch mit Gott. Hier im Ostergarten endet dieses Unheilsgeschichte der Schuld in der Auferstehung Jesu. Er hat die Kommunikation zu Gott wieder hergestellt in seinem Sterben und Auferstehen. Hier beginnt er die Kommunikation mit Maria. „Spricht Jesus zu ihr: Maria!“ Indem er ihren Namen nennt, erkennt sie ihn. „Da wandte sie sich um und spricht zu ihm auf Hebräisch: Rabbuni!, das heißt: Meister!“ Indem er unseren Namen nennt, erkennen wir ihn, den Lebendigen. Er ist wirklich ein Gärtner, ein „urban Gardener“ der die Betonwüsten unserer Herzen zum Leben erweckt, indem er uns anredet mit Namen: Hildegrard, Christiane, Thomas, Andreas, Walter, Alexander, ihr alle: Jesus Christus lebt und ihr sollt mit ihm leben. Solche Worte des Glaubens, sind wie kleine Samen, die aufgehen und Freude schenken in unseren Herzen. Die Großstadt- und Guerillagärtner unserer Tage haben kleine „Samenbomben“ entwickelt. Das sind kleine Kugeln aus Lehm geformt in deren Inneren sich eine bunte Mischung aus Sommerblumensamen befindet. Sie werfen diese Samenbomben auf Wiesen und Grünflächen oder in eine klein vernachlässigte Ecke. Wenn der nächste Regen kommt wäscht der Lehm ab und die Samen gehen auf. Das dauert manchmal ein bisschen. Christus wirft solche „Samenbomben“ in unser Leben, -indem er uns anredet – jetzt; -indem er uns die Schuld vergibt – jetzt; -indem er uns bleibendes ewiges Leben zusagt – jetzt: Du wirst leben! Manchmal dauert es eine Zeit, bis solche Aussaat aufgeht. Und ich glaube, dass unsere Stadt Hannover, unsere Gesellschaft einige solcher bunten Samenbomben mehr gebrauchen kann. Bunte Freude ist die Folge. Christus ist ein guter Gärtner.
Vierte Gartengeschichte: Liebe Gemeinde, zum Schluss noch einmal zurück zu unserer Eingangsgartengeschichte: Wenn sie dein und mein Grab einmal geschaufelt haben werden, 1,70 Meter tief –ja gerade darüber muss man zu Ostern reden!– dann ist da ein anderer Pastor, der eigentliche Friedhofsgärtner, der dich herausholen wird aus dem Tod, der dich neu schaffen wird, der dich zum ewigen Leben in die Auferstehung führen wird: Jesus Christus, der auferstanden ist. Er ist wahrhaftig auferstanden! Amen.