Beichtansprache

(Pastor Gert Kelter am 1 . Sonntag nach Weihnachten 2003)

Anbetung ist distanzlose Hingabe.

Und wenn er den Erstgeborenen wieder einführt in die Welt, spricht er (Psalm 97,7): »Und es sollen ihn alle Engel Gottes anbeten.« (Hebr 1, 6)

Liebe Beichtgemeinde,

früher sagte man kleinen Kindern, wenn sie jemanden begrüßen sollten: Mach schön einen Diener oder einen Knicks. Heute heißt es, wenn überhaupt, gib schön die Hand.

Aber Kinder mögen das nicht. Vielleicht, weil sie überhaupt antrainierte Sitten, die ihnen nicht unmittelbar einleuchten können, nicht mögen. Vielleicht aber auch, weil sie instinktiv merken: Durch bestimmte körperliche Haltungen und Gesten bringe ich eine innere Haltung zum Ausdruck. Im Falle des Dienermachens und Handgebens hieße das: Ich mache mich vor einem Fremden klein oder ich gebe mich einem Fremden in die Hand. Und das will ich nicht.

Mit dem Körper, der Körperhaltung und durch körperliche Gesten verleihe ich bestimmten Haltungen einen viel deutlicheren Ausdruck als nur durch Worte.

Man kann das für sich selbst wahrscheinlich am besten an den Beispielen des Tröstens und der Entschuldigung feststellen:

Es ist einfacher, einem Traurigen tröstliche Worte zuzusprechen, als den Arm um ihn zu legen, wenn man nicht sehr vertraut miteinander ist und das Wort „Entschuldigung" spricht sich einfacher aus, als die Geste des Handreichens getan ist.

Was hat das mit der „Anbetung" zu tun, von der in unserem Schriftwort die Rede ist?

Unsere Scheu, innere Einstellungen durch körperliche Haltungen zum Ausdruck zu bringen, weil sie so eindeutig sind, so unumkehrbar, nicht mehr zurücknehmbar und für alle offensichtlich, diese Scheu legen wir auch im Gottesdienst und in unserer privaten Frömmigkeit an den Tag.

Die Frage ist, ob nicht aber innere Haltung und äußerer Ausdruck zusammengehören, sosehr, dass die Weigerung, äußerlich etwas zum Ausdruck zu bringen, darauf schließen lässt, dass wir’s innerlich auch nicht glauben und meinen.

Diesen Zusammenhang zwischen innen und Außen bringt Jesus in die Formel: Wes das Herz voll, das geht der Mund über.

In der lutherischen Kirche wird z.B. noch gekniet. Beim Sündenbekenntnis im Zusammenhang des Rüstgebets. In der Bethlehemsgemeinde ist das irgendwann abhanden gekommen. Ich weiß nicht warum, vermutlich aus praktischen Gründen, um das Auf und Ab im Gottesdienst etwas einzudämmen. Aber an dieser Stelle ist das ein Signal: Ich gehe vor Gott nicht auf die Knie, wenn ich ihm bekenne, dass ich gesündigt habe mit Gedanken, Worten und Werken und ihn um Erbarmen bitte. Ich bleibe stehen als überbringe ich Gott eine Forderung, auf deren Erfüllung ich ein Recht hätte.

Es gäbe, gerade aus unserer Gemeinde noch eine Reihe weiterer Beispiele zu nennen. Alle haben eines gemeinsam: Wir beten zwar, aber wir haben die Anbetung, die Herz, Mund, Leib und Seele, Körper und Geist umfasst, auf ein Minimum reduziert.

Verbeugen, Knien, der Wechsel zwischen Erheben und Setzen, Schreiten, Kniebeugen, Bekreuzigen, den Kopf senken, den Kopf wieder erheben, erhobene, geöffnete Hände, gesammelt ineinandergefaltete oder anbetend aneinandergelegte Hände, dies alles, bis hin zum symbolischen „An-die-Brust-klopfen" als Zeichen der Reue und Buße erscheint uns als überflüssig, aufgesetzt, künstlich. Und doch sind diese körperlichen Gesten Zeichen der Anbetung, die es in der Kirche immer gegeben hat und die einen tiefen und heilsamen Sinn haben.

Die Weisen aus dem Morgenland machen es uns vor: Sie knien nieder, machen sich klein vor dem Angebeteten, nehmen damit sich und ihre Person ganz zurück. Sie wollen nichts für sich behalten, sind einfach nur da in der Gegenwart des angebeteten Christus. Sie bringen nicht nur etwas, sondern sie bringen sich selbst, geben sich dem Sohn Gottes ganz hin, erwartungsvoll, hoffnungsvoll und gewiss, dass sie verwandelt wieder gehen werden.

Um anzubeten, bedarf es keiner tiefsinnigen Gedanken. Anbetung heißt Staunen über Gottes Liebe und Gnade. Sich öffnen für Gottes Wunder.

Unser Selbstbewusstsein, unser Stolz auf unser Anderssein oder Besonderssein ist da fehl am Platz. Anbetung verlangt Selbstvergessenheit. Nur so können wir den Herrscher aller Welt und Heiland unseres Lebens an uns rankommen lassen. Anbetung ist distanzlose Hingabe.

Und das geht eben auch in das Körperliche hinein.

Weihnachten will uns das wieder ganz neu in Erinnerung rufen: Gott ist gegenwärtig – lasset uns anbeten. Wenn unser Leben von der Gegenwart des menschgewordenen Gottes geprägt ist, werden wir auch in den alltäglichsten Situationen anbetende Menschen sein. Menschen, die sich in Gottes Gegenwart wissen. Die darüber staunen können. Die sich dafür öffnen und dadurch umgestalten lassen.

Lasst uns nun still werden in der Gegenwart des heiligen Gottes, Christus, den Herrn anbeten, der darauf wartet, dass wir uns ihm ganz und gar hingeben. Mit unserem Stolz, unserem Bedachtsein auf Unabhängigkeit und Distanz, mit unserer Schuld. Als äußeres, körperliches Zeichen dafür, dass wir uns Jesus Christus voller Vertrauen in die heilenden und versöhnenden Hände geben wollen, lasst uns niederknien und Gott unsere Sünde bekennen und ihn um Vergebung bitten.

Amen.