Predigt

(Pastor Gert Kelter am Ostermorgen 2002)

Anteil am Sieg.

Wenn aber Christus gepredigt wird, dass er von den Toten auferstanden ist, wie sagen dann einige unter euch: Es gibt keine Auferstehung der Toten?
Gibt es keine Auferstehung der Toten, so ist auch Christus nicht auferstanden.
Ist aber Christus nicht auferstanden, so ist unsre Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich.
Wir würden dann auch als falsche Zeugen Gottes befunden, weil wir gegen Gott bezeugt hätten, er habe Christus auferweckt, den er nicht auferweckt hätte, wenn doch die Toten nicht auferstehen.
Denn wenn die Toten nicht auferstehen, so ist Christus auch nicht auferstanden.
Ist Christus aber nicht auferstanden, so ist euer Glaube nichtig, so seid ihr noch in euren Sünden;
so sind auch die, die in Christus entschlafen sind, verloren.
Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir die elendesten unter allen Menschen.
(1. Korinther 15, 12-19)

Liebe Brüder und Schwestern,

der biblische Glaube an den Gott Israels und den Vater Jesu Christi beruht nicht auf Ideen, sondern auf geschichtlichen Ereignissen, Ereignissen, die als Tatsachen den Inhalt der Urverkündigung dieses Gottes bilden. Israel sagt: Unser Gott hat uns zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt der Weltgeschichte aus der Sklaverei Ägyptens befreit und uns in das verheißene Land geführt. Das ist das Urereignis unserer Erlösung, die geschichtliche Tatsache, auf der unser Glaube beruht.

Und für Christen gilt darüber hinaus: Gott ist in Jesus Christus Mensch geworden, um sein Erlösungswerk zu vollenden, als in Rom Kaiser Augustus regierte. Christus hat gelebt, als Mensch auf dieser Erde gewirkt, er hat unter dem römischen Prokurator Pontius Pilatus gelitten, ist am Kreuz gestorben und am dritten Tag auferstanden von den Toten. Das sind die Urereignisse der Menschheitserlösung, die geschichtlichen Tatsachen, auf denen unser Glaube beruht.

Längst bevor sich der erste jüdische oder christliche Theologe seine Gedanken über die Bedeutung dieser geschichtlichen Urereignisse gemacht hat, waren sie tatsächlich geschehen. Alle theologischen Ideen und Gedanken hingen in der Luft, wenn sie nicht in diesen historischen Geschehnissen wurzelten.

Was für den biblischen Glauben gilt, gilt nicht für die Religionen dieser Welt. Sie sind mehr oder weniger nachvollziehbare, mehr oder weniger sympathische Ideenkomplexe. Sie brauchen keine historischen Ereignisse zu ihrer Begründung und sie haben auch keine vorzuweisen. Und das gilt auch dann, wenn einzelne Religionsgründerpersönlichkeiten und ihre jeweiligen Biografien in diesen Religionen durchaus eine Rolle spielen. Sehen wir uns doch mal eine der eher sympathischen Religionen, nämlich den Buddhismus an: Sympathisch sage ich, weil die Ideen und Ideale, für die man den Buddhismus meist in Anspruch nimmt, aus der Sicht kultivierter Europäer angenehm und freundlich wirken: Frieden, Stille, Naturverbundenheit, Gewaltfreiheit, Bewahrung und Schonung der Schöpfung - dagegen ist nichts einzuwenden. Aber die Person des Gautama Buddha, von der man annehmen darf, dass sie historisch existiert hat, ist für diese Ideen und Ideale nebensächlich. Er ist lediglich Vermittler, Lehrer dieser Ideen. Fragt man, was er in seinem Leben getan hat, lautet die Antwort: Nichts. Betrachtet man sein Verhältnis zum Leiden der Welt, ein Thema, zu dem es ja im Christentum Vergleiche zu ziehen gäbe, dann stellt man fest: Buddha litt unter dem Leiden der Welt und suchte und fand für sich einen Weg, diesem Leidenskreislauf psychisch zu entkommen. Jesus dagegen hat das Leiden der Welt bewusst auf sich genommen, es selbst durchlitten und durch sein irdisches Wirken Leiden begrenzt, ja beseitigt: Er heilte Kranke, Besessene, er weckte Tote auf, er tröstete Verzweifelte und nährte Hungrige, er stellte sich auf die Seite der Ausgestoßenen, Schwachen, Entrechteten und Verachteten. Er teilte das Los der Armen und Außenseiter. Und genau in diesem irdischen, geschichtlichen Leben wurzelt die Botschaft des Evangeliums. Alle Christen, die im Laufe der letzten 2000 Jahre im Dienst ihrer Mitmenschen standen, sich aufgeopfert haben, um Not zu lindern, für Gerechtigkeit einzutreten und den Schwachen zu helfen taten dies nicht um einer guten Idee willen, sondern weil sie sich als Nachfolger Jesu Christi verstanden.

Die geschichtliche Tatsache aber, die dem Leben und Leiden, dem Sterben Jesu am Kreuz überhaupt erst Sinn verleiht und für uns die ganze Heilsbedeutung der Menschwerdung Gottes erschließt, ist seine Auferstehung von den Toten.

Nie heißt es im Neuen Testament übrigens: Auferstehung vom Tode, immer „Auferstehung von den Toten". Das ist deshalb von Bedeutung, weil der Tod an sich für viele Menschen keinen besonderen Schrecken birgt. Glaubenslose Zeitgenossen kann man mit dem Hinweis auf den Tod kaum aus der Reserve locken. Sie sagen: Dann ist eben alles aus, ich merke nichts mehr davon, bin einfach weg. Was soll mich daran aufregen? Meine Kraft investiere ich darum lieber in ein lustvolles, prall gefülltes irdisches Leben und sehe zu, dass ich hier nicht zu kurz komme.

Und auch unter Christen ist das mit dem Tod so eine Sache. Viele sagen: Ich fürchte den Tod nicht, sondern das Sterben und die möglicherweise damit verbundenen Schmerzen, die Hilflosigkeit und das Angewiesensein auf Pflege. Oft wird gesagt: Der Tod war eine Erlösung.

Im Licht der Hl. Schrift ist der Tod aber kein harmloses Neutrum, nicht einfach nur „Nichts", sondern Straffolge der Sünde, schreckliche Verlorenheit. Er tritt als Feind auf und fordert unser Leben, das einzige, das wir haben. Vielleicht müssen auch wir Christen erst einmal wieder neu begreifen, dass der Tod etwas Furchtbares ist, bevor wir von der Auferstehung von den Toten reden können. Denn was wäre denn die Auferstehung von den Toten für ein Gewinn, wenn der Tod kein Schaden ist?

Und wenn jedes Leiden ein Vorbote des Todes, der Tod aber Erlösung ist, warum sollte dann Leid gelindert werden, wo es doch nur die Zeit bis zum erlösenden Tod verkürzt? Und wenn der Tod an sich schon Erlösung ist, warum soll dann die Auferstehung von den Toten noch nötig sein?

Im Buddhismus bleibt man da ganz logisch: Das Leben ist Leiden, aber auch die Chance, durch wachsende Erkenntnis auf dem Weg der Erleuchtung schon hier und jetzt aus dem Leidenskreislauf auszusteigen, um nicht nach einer Wiedergeburt erneut in die Leidensmühle zu geraten, sondern endlich als Erleuchteter durch den Tod im Nichts, im Nirwana aufzugehen. Die Folge ist allerdings, dass der gläubige Buddhist zwar für sich selbst friedlich und gewaltfrei ist, aber am Leiden der anderen kein Interesse hat, auch nicht daran, es zu lindern.

Liebe Gemeinde, es gibt und es gab immer Christen, die bewusst oder unbewusst heimliche Buddhisten waren. Zur Zeit des Apostels Paulus spielte der Buddhismus keine Rolle, aber es gab durchaus eine vergleichbare Ideenreligiosität, von der auch einige Christen in Korinth infiziert waren. Gnostiker, Erkenntnisanhänger, nannte man sie damals.

Sie waren nicht an den Fakten und historischen Tatsachen interessiert, die in den Evangelien über das Leben Jesu berichtet werden, sondern an den Ideen und Lehren. Die Berichte verstanden sie symbolisch, interpretierten sie mystisch. Sie wollten von einer leiblichen Auferstehung der Toten nichts wissen. Das war ihnen zu irdisch, zu leibhaftig, eines geistlichen Erkenntnismenschen nicht würdig, eher peinlich. Ihre Ideen verpackten sie dabei durchaus in christliche Vokabeln. Und das machte sie so gefährlich, weil viele die Mogelpackung nicht durchschauten. „Auferstehung aus dem Tod" sagten sie und meinten damit: Erreichen der höchsten Stufe von Weisheit, Erkenntnis und Erleuchtung, ein Auferstehen aus den Niederungen des Fleischlichen und Menschlichen hinauf ins Geistliche und Göttliche. In diesem Leben also auferstehen zu einem neuen, erleuchteten Leben!

Ganz ähnliche Ideen tauchten auch in der evangelischen Theologie des 20. Jahrhunderts wieder auf, wenn es dort hieß, Jesus sei nicht leiblich von den Toten auferstanden, sondern „auferstanden ins Leben", und: Auferstehung meint „Die Sache Jesu geht weiter".

Wie das kleine unbezwingbare Dörfchen des gallischen Helden Asterix gab es aber immer auch Kirchen, die stur dabei blieben, was schon der Apostel Paulus seinen schwärmerischen Korinthern sagte: Gibt es keine Totenauferstehung, ist auch Christus nicht auferstanden. Ist aber Christus nicht von den Toten auferstanden, ist unsere Predigt vergeblich und auch euer Glaube vergeblich. Dann könnt ihr euren Laden eigentlich gleich ganz dicht machen.

Brüder und Schwestern, ich weiß, dass mancher, wenn er von der Auferstehung von den Toten und also vom „Leben nach dem Tod" hört, mit der Frage kämpft, was dies denn für mein diesseitiges, irdisches Leben für eine Bedeutung habe, insbesondere dann, wenn dieses Leben vom Leiden geprägt ist. Ist die Botschaft von der Auferstehung Christi von den Toten dann nicht doch nur eine Vertröstung, aber kein tragfähiger Trost?

Die Frage muss ernst genommen werden, und der Apostel Paulus tut das auch. Er macht ja überhaupt keinen Hehl daraus, dass sein Leben als Christ gekennzeichnet ist durch Leiden. Für ihn wird an seinen Leiden deutlich, dass er mit dem leidenden Christus zusammengehört. Sein Leiden erscheint ihm als Kennzeichen seines Zu-Christus-Gehörens. Aber gerade darum fragt er die Korinther: Wenn wir nur in diesem Leben zu Christus gehören, und zwar zu dem leidenden Christus, aber nicht im Leben der Auferstehung auch zum lebendigen, auferstandenen und siegreichen Christus, weil Christus nämlich gar nicht von den Toten erstanden sei, dann wäre doch alles Leiden nur vollkommen sinnlos. „Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, dann sind wir die elendesten unter allen Menschen". Dann tragen wir das Leiden Christi an unserem Leib durchs Leben, aber haben keinen Anteil am Sieg und an der Überwindung, an der Erlösung und am neuen Leben. Dann wäre wirklich mit dem Tod alles aus, aber es hätte auch alles keinen Sinn gehabt.

Dann wäre Weltflucht in mystische Ideen oder in Klöster oder - warum eigentlich nicht? - auch in den Selbstmord noch das Sinnvollste, was ein Mensch tun könnte, um sein Leidensleben zu ertragen oder aber zunichte zu machen. Das ist die letzte Konsequenz aller Ideenreligionen.

Nein, liebe österliche Christengemeinde, die Theologie der Ideen hält nicht, was sie verspricht. Die Theologie der Tatsachen, das Evangelium von Jesus Christus, der von den Toten auferstanden ist, bringt allein Grund unter unsere Füße. Auf dem Boden dieser Tatsachen lässt sich gut stehen und leben. Mit solchem Standpunkt kann man auch standhalten, wenn einem der Wind ins Gesicht weht. Und wenn wir mit Christus leben, dann werden wir mit ihm sterben und mit ihm auferstehen in ein neues und ewiges Leben. Amen.