Predigt

(Pastor Gert Kelter am Ewigkeitssonntag 2002)

Das Kommen des Tages Gottes.

Eins aber sei euch nicht verborgen, ihr Lieben, dass ein Tag vor dem Herrn wie tausend Jahre ist und tausend Jahre wie ein Tag.
Der Herr verzögert nicht die Verheißung, wie es einige für eine Verzögerung halten; sondern er hat Geduld mit euch und will nicht, dass jemand verloren werde, sondern dass jedermann zur Buße finde.
Es wird aber des Herrn Tag kommen wie ein Dieb; dann werden die Himmel zergehen mit großem Krachen; die Elemente aber werden vor Hitze schmelzen, und die Erde und die Werke, die darauf sind, werden ihr Urteil finden.
Wenn nun das alles so zergehen wird, wie müsst ihr dann dastehen in heiligem Wandel und frommem Wesen,
die ihr das Kommen des Tages Gottes erwartet und erstrebt, an dem die Himmel vom Feuer zergehen und die Elemente vor Hitze zerschmelzen werden.
Wir warten aber auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach seiner Verheißung, in denen Gerechtigkeit wohnt. (2 Petrus 3, 8-13)

Liebe Brüder und Schwestern in Christus,

es gibt moderne, aufgeklärte Predigten über das Weltende und die Erschaffung eines neuen Himmels und einer neuen Erde, in denen Gerechtigkeit wohnt, Predigten, die die biblischen Inhalte, Vorstellungen und Sprachbilder so sehr ins Allgemeine und Philosophische auflösen, dass ich mir zumindest von dieser Neuen Schöpfung keinerlei Vorstellung machen und mich infolgedessen auch nicht zutiefst danach sehnen kann. Jedenfalls nicht so intensiv, wie ich mich nach einem Hackfleischbrötchen sehnen kann, wenn ich richtigen Hunger habe. Und ich finde, das ist ein ganz realistisches Kriterium.

Und dann gibt es auf der anderen Seite sicherlich ganz sympathisch-einfältig-fromme Predigten zu demselben Thema, die die Neue Schöpfung als eine Welt beschreiben, die eigentlich genauso ist, wie die jetzige, nur ohne jede Spannung, ohne Kriege, ohne Krankheiten, ohne Meinungsverschiedenheiten, ohne das Fressen und Gefressenwerden im Tierreich, ohne Versagen, Schuld und Leid, mit nicht enden wollendem Nahrungsangebot für alle Menschen; eine heile, langweilige Welt.

Und wenn ich ehrlich sein soll: Wenn Gott wirklich nicht mehr mit uns und unserer Welt vorhat, als ein solches Hollywood-Idyll, wie es von den Zeugen Jehovas in bunten Hochglanzbroschüren dargestellt wird, als eine Erde voller ewig lächelnder, sich lieb habender Amerikaner unter Palmen, wo ein wuscheliges Lämmchen mit einen lächelnden Löwen auf einer grünen Wiese spielt, dann muss ich wohl zugeben: Ich stünde gewaltig in der Gefahr, vom Glauben an eine solche Ewigkeit abzufallen und mich für das Hackfleischbrötchen oder ähnlich handfeste Ziele meiner Sehnsucht zu entscheiden.

Der Apostel Petrus versteigt sich weder in esoterische oder philosophische Spekulationen, noch verfällt er einem kitschig-romantischem Rausch. Er bezeugt ganz nüchtern, was er vom Herrn Jesus Christus empfangen hat und sagt:

Dieses Universum, also unsere Welt und ihre Planeten und Trabanten, werden vergehen, zunichte werden. Sie werden in Sekundenschnelle verglühen und alles, was darauf ist mit ihnen. Petrus schreibt das mit Blickrichtung auf bestimmte Kritiker und Spötter, die sich über die Verkündigung der Wiederkunft Christi zum Weltgericht, der Auferstehung, der Neuschöpfung, des ewigen Lebens und der Scheidung der Menschen nach Glauben oder Unglauben lustig machten und fragten: Wann, bitte soll das denn geschehen? Hat euer Christus seine Pläne geändert? Hat er euch hier unten auf der Erde vergessen? Diese Spötter sollen wissen: Irrt euch nicht, Gott lässt sich nicht spotten. Niemand kennt die Zeit des Endes. Gottes Uhren gehen anders als unsere Uhren. Aber das Ende wird kommen. Und dann kommt es darauf an, ob uns Christus im Glauben oder im Unglauben findet. Alles kommt darauf an, denn nach dem Ende der Erdzeit, nach dem allgemeinen Offenbarwerden des Herrn Jesus Christus als dem einzigen Weg, der einzigen Wahrheit, die zum Leben führt, gibt es kein Zurück, keine Korrektur des dann offenbar gewordenen Irrtums des Unglaubens mehr.

Liebe Gemeinde, es gibt keine einzige Stelle im Neuen Testament, die daran irgendeinen Zweifel lässt: Glauben oder Unglauben, Vertrauen auf Jesus Christus oder Ablehnung des Evangeliums entscheiden über Leben oder Tod, Heil oder Unheil, Vollendung oder Verdammnis. Und für jeden einzelnen Menschen fällt diese Entscheidung innerhalb seines irdischen Lebens. Am Ende wird das für alle Menschen, die noch lebenden und die schon gestorbenen, offenbar. Und dieses Ende ist gekennzeichnet durch eine kosmische Katastrophe, von der interessanterweise auch die moderne Astrophysik nichts anderes zu sagen weiß als das Neue Testament: Dieses Universum wird in einem Augenblick verglühen.

 

Dass dies bisher noch nicht geschehen ist, liegt daran, dass Gott noch „die Luft anhält". Er ist noch nicht vor Zorn über die Gottlosigkeit und Gottesferne seiner Schöpfung explodiert und nur darum ist auch diese Schöpfung noch nicht explodiert. Das heißt: Er hat Geduld, oder eben wörtlich: einen langen Atem.

Und dass Gottes Leiden an unserer Gottlosigkeit sich noch nicht in seinem alles vernichtenden Zorn entladen hat, hat nur einen Grund: Seine Liebe zu uns, zu seiner Schöpfung, ist größer als sein gerechter Zorn und ist stärker als sein unfassbares Leiden an uns. Deshalb gibt er seiner Schöpfung Raum zur Buße, eine Gnadenfrist zur Umkehr, Schonzeit für die Mission, für die Evangelisation, für die Verkündigung des Evangeliums von Jesus Christus, zur Sammlung möglichst vieler, ja aller Menschen in der rettenden Arche, der Gemeinde Gottes, der Kirche zu einem Volk der Erlösten.

Vielleicht kann man es so sagen und dann auch ein wenig verstehen: Gottes Liebe zu den Menschen seiner Schöpfung (auf der einen Seite) und Gottes unsagbares Leiden unter der Abkehr seiner Schöpfung von ihm, unter dem, was wir „Sünde" und „Gottlosigkeit" nennen (andererseits), führen zu einer katastrophengeladenen Spannung. Entlädt sie sich, hat dies für uns die Wirkung des Gerichtes, sodass wir von „Gottes Zorn" sprechen, obwohl wir wissen, aus der Bibel selbst wissen, dass Gott die Liebe ist.

Solche Entladungen des Zornes Gottes, so bezeugt es die Hl. Schrift, hat es gegeben. Die Sintflut zu Noahs Zeiten, also in der Ur- und Frühzeit der Menschheitsgeschichte, ist das biblische Beispiel dafür. Auch der Bericht über den Untergang Sodoms und Gomorras wäre hier zu nennen.

Aber weil „Gericht" nie und nimmer das letzte Wort des liebenden Gottes bleiben kann, hat Gott selbst mit dem schon erwähnten langen Atem das letzte und endgültige Gericht immer wieder zurückgehalten und seinen Kriegsbogen in die Wolken gehängt. Bis heute sieht man darum im Regenbogen ein Zeichen des Friedens. So sagt Gott auch nach der Sintflut: „Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht."

Aber eben nur: So lange die Erde steht.

Das letzte, ewige und endgültige Zeichen des Friedens- und Versöhnungswillens Gottes ist das Kreuz Jesu Christi. Es löst sozusagen den Regenbogen als vorläufiges und irdisches Friedenszeichen ab.

Und noch immer hält Gott den langen Atem an, noch immer hat Gott Geduld und das mit dem einzigen Ziel, dass alle Menschen zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen und umkehren zu Christus, dem Gekreuzigten und dadurch nicht verloren werden.

Der Apostel Paulus beschreibt den Hauptinhalt aller christlicher Verkündigung mit dem Satz: Lasst euch versöhnen mit Gott. Wer diesen Ruf hört und umkehrt und an Jesus Christus als den einzigen Retter, Herrn und Erlöser glaubt, hat was er glaubt: Vergebung der Sünden und ewiges Leben, das durch das Gericht hindurch, durch die letzte Katastrophe hindurch bleibt.

Wenn wir von „rechtgläubiger Kirche", von „Bekenntniskirche" sprechen, wenn wir einer unkritischen Ökumene, die alles gleichermaßen gelten lässt und darum beliebig wird, mit Skepsis und Kritik begegnen, dann nicht aus Besserwisserei oder Arroganz, sondern weil wir – hoffentlich jedenfalls - davon überzeugt sind, dass wir durch nichts als den Glauben an Jesus Christus und die Gnade Gottes, ohne unsere Verdienste und Werke, so wie es allein die hl. Schrift bezeugt, gerettet und gerechtfertigt werden.

Das jüngste Gericht besteht aus der endzeitlichen Katastrophe und dem endgültigen und allgemeinen Offenbarwerden der Wahrheit des Evangeliums: Alle, die Glaubenden und die bis zu ihrem Tode nicht glaubenden, werden erkennen müssen, dass Christus der Herr ist.

Und, liebe Gemeinde, auch das muss die Kirche bezeugen, weil es Christus bezeugt und weil es die Hl. Schrift bezeugt:

Wer unter Inanspruchnahme seiner von Gott geschenkten Freiheit die Liebe Gottes, die seit Jahrtausenden auf vielfältigste Weise verkündet wird, in diesem Leben ausschlägt und abweist, wer sein eigener Herr sein und bleiben will und Christus nicht als Herrn in seinem Leben anerkennt, der wird von Gott im Gericht bei seiner Entscheidung ernst genommen.

Wer mit diesem Leben zufrieden ist, wird auch danach kein anderes mehr erhalten.

Wer auf den neuen Himmel und die neue Erde wartet, sich danach sehnt, darauf hinlebt, der wird es auch erhalten.

Wie das aussieht, bleibt uns verborgen. Wir wissen nur, dass diese neue Schöpfung Gottes, die nicht nur eine Generalüberholung der Alten ist, sondern die Alte endgültig ablöst, dass es von dieser Neuschöpfung heißt: Darin wohnt Gerechtigkeit.

Gerechtigkeit „wohnt" in der neuen Schöpfung. Das heißt: Die Gerechtigkeit Gottes ist darin Hausherr; die neue Schöpfung ist der Lebens- und Wohnraum der Gerechtigkeit Gottes. Nichts anderes hat darin mehr Platz, nichts anderes hat darin ein Lebensrecht.

Gerechtigkeit, das heißt: Gottes Liebe und seine Leiden an der Ungerechtigkeit, an der gottlosen, gottfernen Sünde haben einen Ausgleich gefunden, sind versöhnt.

Ich weiß: Das klingt jetzt doch wieder nach philosophischer Überhöhung, ist wenig konkret und handfest und lädt vielleicht nicht unbedingt zu tiefer Sehnsucht ein.

Wonach sehnen wir uns? Womit können wir in dieser Zeit und mit schwachen Menschenworten die Ewigkeit, die neue Schöpfung, in der Gerechtigkeit wohnt, umschreiben?

Vielleicht so: Wenn ich einen Säugling beobachte, der an der Brust seiner Mutter liegt und dabei satt und zufrieden einschläft und die Mutter sagt leise: Es ist alles gut. Dann könnte das ein Bild für die Versöhnung, den Ausgleich, den Frieden sein, der alle Vernunft übersteigt, eben ein Bild für die Ewigkeit oder die neue Schöpfung, in der Gerechtigkeit wohnt.

Vielleicht will Jesus auch genau das zum Ausdruck bringen, wenn er sagt: Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen.

Gib dich zufrieden und sei stille in dem Gotte deines Lebens! Amen.