Beichtansprache am 1. Sonntag im Advent (3.12.2000) Bethlehem Hannover
Gnade sei mit
euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt. Amen-.
Gottes Wort
zur Beichte im Evangelium nach Lukas im 13. Kapitel:
Lk 13, 6-9
(Evangelium am Buß- und Bettag)
Jesus sagte ihnen aber dies Gleichnis: Es hatte einer einen Feigenbaum, der war gepflanzt in seinem Weinberg, und er kam und suchte Frucht darauf und fand sie nicht. Da sprach er zu dem Weingärtner: Siehe, ich bin nun drei Jahre lang alle Jahre gekommen und habe Frucht gesucht auf diesem Feigenbaum und finde sie nicht. Haue ihn ab! Was hindert er das Land? Er aber antwortete und sprach zu ihm: Herr, laß ihn noch dies Jahr, bis dass ich um ihn grabe und bedünge ihn, ob er doch noch wollte Frucht bringen; wo nicht, so haue ihn ab.
Der Herr
segne uns durch sein Wort. Amen.
Liebe Beichtgemeinde,
ich mag dieses Evangelium, das eigentlich dem Buß-und Bettag zugeordnet ist, ganz besonders. Mir fällt es nicht schwer, mich in die Rolle des armen Baumes ohne Früchte zu versetzen. Ja, so einer bin ich auch. Und vielleicht siehst du dich ganz ähnlich. Wären es die Früchte meines Glaubens, die sichtbaren, spürbaren, die, von denen andere mit Ehrfurcht und Anerkennung reden, wären es die Früchte, die mir Leben garantierten, ich wäre wohl auch einer, über den Urteil lautete: Hau ihn ab.
„Siehe, ich bin nun drei Jahre lang gekommen und habe Frucht gesucht an diesem Feigenbaum“, versucht der Herr des Weinbergs seine immerhin schon lange Geduld ins Gespräch zu bringen. Alle guten Dinge sind drei. Drei Jahre, das steht für eine lange Zeit. Nein, es wird wirklich nicht vorschnell über mich gerichtet, mein Herr ist keiner, der meiner Fruchtlosigkeit völlig verständnislos gegenübersteht, der mir keine Luft lässt und mir keine Chance gibt. Aber irgendwann ist doch auch mal Schluß. Schon wieder den Vorsatz gebrochen. Schon wieder und immer wieder dieselbe Sünde. Schon wieder schwach geworden, umgefallen, nicht durchgehalten. Keine Frucht. Tot also. Brennholz. Hau ihn ab.
Aber dann dieser liebevolle Weingärtner, der seine Pflanzen und Früchte und auch seine Früchtchen kennt, der sie hegt und pflegt, vertrauten Umgang mit ihnen hat. Er macht sich stark: Bitte noch ein Jahr, noch eine Chance, noch eine Frist.
Ich frage mich manchmal, warum hochbetagte Menschen gegen Ende ihres Lebens manchmal nicht einfach ruhig und friedlich einschlafen dürfen, sondern vielleicht noch schwer krank werden, immer wieder von allen aufgegeben wird und dann doch noch wieder auf die Beine kommt. Man fragt sich, warum dieses ausgelebte Leben noch weitergelebt werden muß, manchmal in einem langen Dämmerzustand , manchmal unter Schmerzen oder inneren Nöten. Und man bittet insgeheim: Herr, mach ein Ende.
Aber dann gibt es immer wieder auch Erlebnisse, durch die man erkennt: gerade diese letzten Wochen und Monate waren nötig für diesen Menschen. Da ist noch etwas aufgebrochen, was tief verschüttet war. Da hat sich noch etwas bewegt in den morschen Knochen, was inneren Frieden geschenkt hat. Da konnte noch etwas gutgemacht oder gutgedacht werden. Oder ein Verwandter, zu dem die Beziehungen immer schwierig waren, nutzt die letzte Frist, macht sich auf an das Krankenbett und es ereignet sich noch Versöhnung auf beiden Seiten. Gott hat, so denke ich dann, diese Zeit als ein ganz kostbares und wertvolles Gut geschenkt. Und so denke ich auch dann, wenn bei Menschen , die nicht bei klarem Bewusstsein sind, sich äußerlich gar nichts Bewegendes ereignet.
„Herr, laß ihn noch dies Jahr, diese Monate, diese Tage, hat vielleicht einer gebeten, damit ich um ihn grabe und ihn bedünge. Damit ich noch längst verschüttetete Wurzeln wieder freilegen kann, damit ich ihn mit meinem lebendigen Wort kraftvoll düngen kann.
Der, der sich da ins Mittel stellt, der für dich und für mich noch eine Zeitspanne erbittet, der mich nicht aufgibt und verlorengibt, sondern noch eine Hoffnung sieht, wo schon alles verdorrt und unfruchtbar scheint, der heißt Jesus und ist der Christus Gottes, mein Heiland und Erlöser. Das ist der, der durch sein Leben und Sterben und in seiner Auferstehung gepredigt hat: Gott will nicht den Tod des Sünders, sondern dass er umkehre und lebe.
Christus selbst tritt für uns ein, bittet für uns und erwirkt uns eine Spanne Zeit als Aufschub. Das ruft uns das Hochgebet der Abendmahlsfeier in Erinnerung, wo es heißt: „Wir getrösten uns seiner Auffahrt in dein himmlisches Heiligtum, wo er, unser Hoherpriester, uns immerdar vor dir vertritt-„
Jeder Tag, den wir leben, darf für uns ein Beweis dafür sein, dass Christus mit seinem Werk an uns noch nicht fertig ist, dass er noch einmal an uns arbeiten, in uns wirken, uns von innen her umgestalten und mit neuer Kraft und Nahrung versorgen will. Manchmal vielleicht auch, weil er uns noch gebrauchen will, weil die Früchte, auf die er wartet, noch anderen zugute kommen sollen.
An meinem Geburtstag bete ich gern Wilhelm Löhes Geburtstagsgebet, in dem es unter anderem heißt: Herr, wenn dies mein letztes Jahr sein sollte...
Ja, wenn es so sein sollte, dann ist es ein von Gott geschenktes Jahr, ein Jahr des Herrn, in dem Christus nocheinmal graben und düngen will. In dem er uns speist und tränkt mit seinem Leib und Blut und im Glauben fester macht durch sein Wort, uns die Last der Jahre mit ihrer Schuld abnimmt und uns losspricht, damit wir leicht und ledig, frei und unbeschwert wie die neugebornen Kinder zu ihm kommen können. Sollten wir Christen nicht jeden Tag unseres Lebens so verstehen: Als wunderbares Geschenk Gottes, der uns diese Zeit gibt, damit er an uns arbeiten und in uns wirken kann? Wir würden dankbare und fröhliche Menschen dadurch. Wir sähen Sinn in jeder Stunde unseres Lebens und würden uns nicht mehr quälen mit dem ewigen „Warum?“. Und wir wären erwartungsvoll ausgerichtet auf den Tag, an dem wir vollendet werden. Laßt uns heute, am ersten Tag des neuen Kirchenjahrs die Versöhnung feiern, die Christus uns durch sein Leiden erworben hat. Lassen wir uns von IHM beschenken mit neuer Gnadenzeit und neuem Anfang, indem wir unsere Schuld bekennen und um Freispruch bitten. Amen.
SDG / HDD